Basler Zeitung / Dienstag, 9. August 2022
Da, wo der Senf ganz einfach dazugehört
Hand aufs Herz: Wegenstetten, dieses Fricktaler Dorf mit seiner etwas über tausendköpfigen Einwohnerschaft, kennen die meisten doch höchstens vom gelegentlichen Durchfahren – wenn überhaupt. Mit etwas Glück ist einem womöglich zu Ohren gekommen, dass es dort am Waldrand irgendwo eine sehenswerte Lourdes-Grotte gibt.
Wegenstetten hatte bis vor wenigen Jahren noch zwei Restaurants: den Landgasthof
Schlüssel und das Restaurant Adler. Ersterer wurde zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut. Und im Adler wirtete bis vor der Pandemie die über 80-jährige Besitzerin ganz allein.
Wer heutzutage durch Wegenstetten fährt, dem fällt auf: Etwa auf halber Strecke
zwischen den beiden ehemaligen Wirtshäusern sitzen oft ein Dutzend oder mehr
Personen um Tische vor einem Lokal. Dieses Lokal namens Gnusswärch
ist zwar neben dem eigenen Lädeli «nur» ein Bistro. Aber eines, das sich
innert kürzester Zeit zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt hat.
Dieses Bistro ist «eher zufällig und nicht geplant» entstanden, wie das Gastgeberpaar
einräumt. Monika Joss (57) spricht davon, dass das Ganze «irgendwie vom Himmel
gefallen» ist. Zusammen mit ihrem Partner Reto Kaufmann (50) habe sie vor fünf
Jahren damit begonnen, Senf-Eigenkreationen herzustellen und diese Senfe zusammen
mit diversen onfitüren an den regionalen Märkten anzubieten.
Das Echo war derart überwältigend, dass die beiden die Produktion erweitern und
bald schon nach Lagerkapazitäten suchen mussten. Fündig wurden sie gegen Ende
2019 in Wegenstetten in Form eines Ladens, der im Verlauf der letzten 100 Jahre
unter anderem als Blumenladen, als Lebensmittelgeschäft, Büro und als Solarium
gedient hatte.
Und weil Joss und Kaufmann beide noch voll im Berufsleben standen – er als Maurer, sie
als Arztgehilfin –, mussten sie ihre Pensen bereits etwas reduzieren. Dies umso
mehr, als sich das ursprünglich als Gnusslädeli konzipierte Lokal zunehmend als
Bistro emanzipierte und etablierte. Reto Kaufmann: «Wir haben zwei, drei Tischchen im Laden und draussen platziert, damit man auch einen Kaffee trinken kann oder etwas anderes. Nach kurzer Zeit kamen immer mehr Leute, die etwas trinken oder sogar essen wollten.»
Tatsächlich erfreut sich das Gnusswärch mittlerweile einer treuen und wachsenden
Stammkundschaft, und das Duo Joss/Kaufmann ist gefordert, die Gäste zu empfangen
und zu bewirten. Viele der Gäste leben in Wegenstetten und freuen sich, dass es
endlich wieder ein Lokal im Dorf gibt. Auch die Vereine und sogar die Mitglieder
des Gemeinderates sind abends hier anzutreffen. Dazu gesellen sich Durchreisende und Gäste aus den umliegenden Gemeinden.
Wie wichtig das Bistro inzwischen auch für Wegenstetten selber ist, zeigt sich an
folgender Geschichte, die uns Monika Joss erzählt: «Eines Abends sass ein
Wegenstetter von ganz oben neben einem, der am anderen Dorfende wohnt. Die beiden
kannten sich höchstens vom Hörensagen. Bald sagte der eine zum anderen: Du bist
ja ein ganz feiner Kerl; schön, habe ich dich endlich kennen gelernt.»
Die Arbeitsteilung der Gastgeber sieht so aus: Während Monika Joss das
Administrative und die Buchhaltung erledigt und primär für den Laden zuständig
ist, steht Reto Kaufmann im Einsatz für den Einkauf und die Wünsche der
Bistrogäste. Geselligkeit werde im Gnusswärch-Bistro grossgeschrieben.
Weil es sich um ein Bistro handelt und die Küche nur rudimentär eingerichtet ist,
hat niemand übersteigerte Erwartungen bezüglich des Essens. So bleibt die Karte
mit Speckbrettli, Rauchwürstli und Wurstsalat vorläufig bewusst überschaubar.
Bei unserem Besuch lassen wir uns ein Paar Rauchwürstli (13.50 Fr.) bringen.
Angereichert mit Gürkli, Tomätli, Ziebeli und feinem Holzofenbrot, hübsch
dargereicht auf einem schönen Bauernteller, macht das Ganze einen repräsentablen Eindruck. Zusammen mit Senfen aus eigener Produktion schmeckt es uns ganz prima. Reto Kaufmann serviert uns den Chili-Chnobli-Senf und jenen mit Whisky-Honig.
Abgerundet wird unser Essen mit einem Limoncello – selbstredend ebenfalls
hausgemacht.
Robert Bösiger
Gnusswärch-Lädeli und Bistro,
Hauptstrasse 57, 4317 Wegenstetten
Tel. 076 341 38 14
Öffnungszeiten: Mi. bis Fr., 14 bis 20 Uhr, Sa. 9 bis 20 Uhr, So. 11 bis 20 Uhr; Mo. und Di. Ruhetag
Original-Auszug; Basler Zeitung vom 9. August 2022
GnussWärch by Monika Joss